Wie Du Dich von einem Problem lösen kannst und psychisch flexibel bleibst


Wie kann man ein Problem lösen, in das man sich so richtig emotional verhakt hat?


Vor ein paar Jahren waren meine Familie und ich mit dem Auto auf dem Weg in den Urlaub. Hinten saßen unsere beiden kleinen Kinder, die schon ziemlich entnervt waren, mein Mann auf dem Beifahrersitz, ich am Steuer. 

In Frankreich passierten wir eine Mautstation. Wer sich in Frankreich auskennt, weiß, dass man meistens an einer Stelle zuerst nur ein Mautticket zieht, dann eine Weile fährt und irgendwann an einer anderen Mautstelle das zuvor gezogene Ticket wieder in den Automaten schiebt und dann bezahlt. Ich kenne das System seit zig Jahren. Meistens funktioniert es einwandfrei, das Zahlen ist unkompliziert, alles easy.

An diesem besagten Tag fahren wir an die erste Mautstelle, ich ziehe ein Ticket und lege es in die Ablage vorne am Armaturenbrett über dem Radio. Die Schranke öffnet sich, wir fahren weiter. 

Nach einer halben Stunde kommen wir an die Zahlstation. Ich fahre vor bis vor die Schranke an den Automaten, lasse das Fenster herunter, nehme das Ticket vom Armaturenbrett, stecke es in den Automaten und warte auf die Anzeige des zu zahlenden Preises. 

Die Anzeige: Ticket nicht erkannt. 

Ich wundere mich, nehme das Ticket in die Hand, versuche es noch mal. 

Ticket nicht erkannt. 

Jetzt werde ich unruhiger. 

Ich nehme das Ticket ein weiteres Mal, drehe es um, denke, vielleicht habe ich es falsch herum gesteckt, aber auch das funktioniert nicht. 

Ich fange an zu fluchen, frage mich, wie blöd ich eigentlich bin, dass ich das nicht hinkriege, die Kinder fragen von hinten, was denn los sei, mein Mann fragt, ob ich das Ticket richtig herum in den Automaten gesteckt habe. 

Das bringt mich völlig aus dem Tritt, denn jetzt hat der auch gemerkt, dass ich zu blöd bin zu zahlen, Frauen am Steuer usw. In der Zwischenzeit habe ich das rechteckige Stück Pappe schon in alle Richtungen gedreht - ohne Erfolg. 

Ich schimpfe und fluche, abwechselnd mit dem Ticket, dem Automaten, meinen Kindern und meinem Mann. Hinter mir hat sich eine lange Schlange gebildet und ich schreie: Wenn jetzt einer hupt, steige ich aus und…

In diesem Moment schaut mein Mann mich an und sagt: Meine Güte, entspann dich! Es wird niemand verhaftet, wenn es nicht funktioniert.

Und was soll ich sagen, er hat recht. In der Regel passiert nichts schlimmes, wenn uns eine Sache nicht gelingt. 

Aber wir tun so, als hinge unser Leben davon ab. 

Warum eigentlich?


Das Problem lösen: Was passiert, wenn uns etwas nicht gelingt


Unser Gehirn versucht permanent, Situationen, Erlebnisse und ähnliches einzuordnen. Das ist wichtig, um zu entscheiden, ob wir es mit Freund oder Feind zu tun haben. In früheren Zeiten mussten wir schnell entscheiden, ob wir uns in einer lebensbedrohlichen Lage befinden, ob wir kämpfen müssen oder flüchten. 

Hätten die Menschen in dieser Zeit erstmal alles in Ruhe durch den präfrontalen Cortex laufen lassen und das Für und Wider einer Handlung abgewogen, wäre die Menschheit längst ausgestorben.

Das Problem ist, dass wir uns heutzutage noch immer verhalten, als würde unser Leben bedroht.

Hast du schon mal beobachtet, wie nervös Menschen am Ticketautomaten eines Parkhauses werden, wenn das Bezahlen nicht klappt und sich langsam eine Schlange hinter ihnen bildet? Wie nervös sie sich umschauen und entschuldigen? Als ob gleich jemand aus der Schlange treten und ihnen eine scheuern würde.

Wir sind in Panik, weil wir auf gar keinen Fall etwas falsch machen wollen. Wir wollen noch nicht einmal die Dinge falsch machen, für die wir nichts können.

Wir haben ständig das Gefühl, der berühmte Säbelzahntiger springt uns gleich von hinten an. 

Meistens sind wir selbst der Säbelzahntiger. Wir verurteilen uns dafür, dass wir es nicht hinkriegen, zu blöd sind, blöder als alle anderen Menschen auf diesem Planeten, um genau zu sein.

Wir befinden uns mitten in der Stressreaktion. Unser Körper bildet Adrenalin und Noradrenalin, zwei Stresshormone. Kennst du bestimmt und auch die Kaskade, die das im Körper in Gang setzt: schnellerer Pulsschlag, flachere Atmung, Muskelanspannung usw. Außerdem ist das Denken eingeschränkt

Wie bereits erwähnt, ist differenziertes Nachdenken jetzt nicht so wichtig. Jedenfalls signalisiert das der Körper durch die Ausschüttung von Adrenalin dem präfrontalen Cortex. Denn es geht ja nur darum, wegzulaufen oder zu kämpfen.

Nun haben wir in unserer Gesellschaft heutzutage eine Menge Situationen, die in uns Stress auslösen, in denen wir aber unmöglich weglaufen können. 

Oder wir haben Stress in Situationen, in denen wir nach einem kurzen Schreck uns selbst zur Ordnung rufen könnten und sagen: Langsam, es ist nicht bedrohlich, ich überlege noch mal.

Hätte ich das in der Situation getan, wäre mir etwas aufgefallen. Statt des Tickets für französische Mautstationen hatte ich ein abgelaufenes Ausfahrticket für ein deutsches Parkhaus in den Automaten gesteckt. Das lag ebenfalls in der Ablage. Dass der Automat Schwierigkeiten hatte, das zu lesen, können wir ihm nicht verübeln.

Kommen wir zurück zum Ausspruch meines Mannes: Es wird niemand verhaftet, wenn es nicht funktioniert.

Was steckt in der Aussage?


Das Problem lösen: Wie wir adäquat auf Probleme reagieren können


Meine Reaktion auf das Problem war nicht adäquat. Wäre ich ruhig geblieben, hätte ich vermutlich schneller den Fehler gefunden. Stattdessen habe ich mich in das Problem verhakt

So war ich auf das Problem fokussiert und nicht auf eine Lösung.

Dann war ich damit beschäftigt, mich für meine Unfähigkeit selbst auszuschimpfen und hatte den Fokus auch nicht auf einer möglichen Lösung.

Was hätte ich stattdessen tun sollen?

Lass uns bei dem Glaubenssatz “Ich bin zu blöd” bleiben und das durchspielen.

Zunächst einmal ist es völlig normal, dass wir Fehler machen, uns etwas nicht gelingt, wir Dinge nicht hinbekommen. 

Deshalb: 

Sei gnädig mit dir! 

Versuche, dich nicht zu verurteilen, wenn etwas nicht klappt. Das gilt natürlich auch für andere Menschen. Wenn du so willst: 

Niemand ist absichtlich bescheuert. Auch du nicht.

Mache dir klar, dass Gedanken entstehen. Sie vergehen aber auch nach einiger Zeit wieder und machen Platz für andere Gedanken. Du kannst nicht verhindern, dass negative Gedanken immer wieder aufpoppen. Wichtig ist, dass du nicht darin verharrst.

Mit den Gedanken verschwindet auch das negative Gefühl, das du dabei hast, wenn du den negativen Gedanken denkst.

Du kannst dich enthaken.


Beobachte dich selbst beim Denken


Mache dir klar, was du denkst. “Ich bin zu blöd.”

Was passiert, wenn du weiter den Gedanken denkst “Ich bin zu blöd.”?

Der Schmerz wird vermutlich größer.

Löst der Gedanke ein Problem? Unwahrscheinlich.

Mache dir klar, dass das nur ein Gedanke ist, den du hast. Du bist nicht der Gedanke.

Du hast Gedanken, du bist nicht deine Gedanken!

Statt: Ich bin zu blöd.

Besser: Ich habe den Gedanken, dass ich zu blöd bin. Und er stimmt nicht.


Damit hast du dich schon in einem ersten Schritt enthakt.

Nur so hast du die Möglichkeit zu entscheiden, ob du auf den Gedanken reagieren möchtest oder nicht.

Es ist schließlich nur ein Gedanke

Wenn du mal darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass du dich in vielen anderen Situationen schon sehr klug angestellt hast.


Verändere dein Denken


Wenn du dich dabei beobachen kannst, was du denkst, kannst du deine Gedanken auch ändern.

Wer sagt schließlich, dass du denken musst, was du denkst? Du kannst auch etwas ganz anderes denken.

Klingt verrückt?

Versuche es doch mal.

Statt: Ich bin zu blöd.

Neu: Ich habe noch nicht herausgefunden, wie es geht.

Verstehe mich nicht falsch. Es geht hier nicht um irgendein Chakachaka "Ich bin genau so gut wie ich bin, deshalb muss ich gar nichts ändern." 

Das meine ich nicht. Du darfst dir schon die Mühe machen zu überlegen, wie du ein Problem lösen kannst. 

Aber "Problem" hört sich so negativ an, kann ich nicht "Herausforderung" sagen?

Tja, wenn du ein neues Wording brauchst, um den Allerwertesten hochzubekommen, von mir aus. Ändert aber nichts daran, dass du eine Lösung finden musst.

Wie findest du eine Lösung?

Indem du offen bleibst, dich enthakst von dem Gedanken und dem Gefühl, das du hast, wenn ein Problem auftritt.

Darum geht es.







Foto: Chaewul Kim/ Unsplash

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