Kennst Du das auch?
Du hast Dir etwas vorgenommen und bemühst Dich wirklich, Dein Ziel zu erreichen, aber irgendwie klappt es nicht.
Sagen wir, Du hast Dir vorgenommen, Dich nicht mehr aufzuregen, wenn Deine Kinder ihre Sachen nicht wegräumen. Du möchtest ihnen stattdessen ruhig und besonnen Dein Missfallen zum Ausdruck bringen und sie bitten, ihre sieben Sachen augenblicklich in ihr Zimmer zu bringen.
Und was ist heute zuhause los?
Die Kinder kommen nach Hause, schmeißen ihren Schulranzen mitten in den Flur – und Du tickst aus. Mist!
Was passiert dann häufig?
Wir verurteilen uns selbst. Der innere Dialog läuft dann vielleicht so ab:
„Oh Mann/Frau, jetzt bin ich schon wieder ausgetickt. Ich wollte mich doch nicht mehr so aufregen wegen jeder Kleinigkeit. Deshalb meditiere ich doch schon seit Jahren täglich eine Stunde, mache mindestens vier Mal die Woche Yoga und esse nur gesund. Wahrscheinlich bin ich nur zu blöd! Alle anderen schaffen das doch auch! Ich müsste schon viel weiter sein.“
Ja, wir kennen sie alle, die gute alte Selbstverurteilung. Weit verbreitet – bringt aber nichts.
Warum sind wir also so zu uns? Ich glaube, weil wir es so gelernt haben. Wir werden schon in jungen Jahren darauf programmiert, immer unser Bestes zu geben. Bei manchen ist intrinsische Motivation im Spiel, andere haben Anerkennung durch Leistung erhalten und streben deshalb immer nach der Eins mit Sternchen. Häufig ist unsere Motivation auch abhängig von der Situation. Und es ist auch eine gute Sache, wenn wir immer unser Bestes geben wollen, die Menschheit sollte sich schließlich weiterentwickeln.
Wenn Du z.B. Herzchirurgin bist, ist es sicher sinnvoll, bei einer Operation eine absolute Topleistung abzurufen. Jedenfalls würde ich mir das wünschen, sollte ich einmal Deine Patientin sein.
Nur übertragen wir das Streben nach Höchstleistung manchmal auch auf Lebensbereiche, bei denen diese Herangehensweise weder praktisch noch notwendig ist. Stichwort perfekter Partner oder perfekte Partnerschaft. Und dann weiten wir diese Ansprüche häufig auch auf unsere Persönlichkeit oder unsere Charaktereigenschaften aus. Wir sollten geduldiger sein, netter, einfühlsamer, manchmal auch bestimmter und direkter, aber irgendwie auch zurückhaltend und bescheiden. Unsere Lernkurve in Sachen Persönlichkeitsentwicklung dürfte auch ruhig etwas steiler verlaufen. Wozu machen wir diesen Affenzirkus mit der Selbstverwirklichung schließlich.
Um es mit meinen Kindern (und vielleicht auch Deinen) zu sagen: Chill mal Deine Base!
Erstens sind wir genau da in unserer Entwicklung, wo wir sein sollen. Und zweitens, wenn Du glaubst, Du solltest eigentlich ganz woanders sein, dann nimm es wenigstens erstmal hin, dass Du dort, wo Du Dich eigentlich siehst, noch nicht bist.
Warum? Weil es schlau ist.
Stell Dir einmal folgende Situation vor: Du wohnst in Köln, möchtest mit dem Flugzeug nach Berlin fliegen und willst ein Flugticket kaufen. Tief in Deinem Herzen würdest Du statt in Köln eigentlich lieber in Hamburg wohnen, weil Du die Stadt viel schöner findest. Was machst Du jetzt mit Deinem Ticket? Kaufst Du eines von Hamburg nach Berlin oder eines von Köln nach Berlin? Klar, Du nimmst das mit dem Abflug von Köln, denn Du wärst zwar gerne in Hamburg, bist es aber nicht.
Worauf will ich also hinaus?
Wenn Du ein Ziel erreichen möchtest – nie mehr gestresst sein und aus der Haut fahren (Eins mit Sternchen) -, darfst Du erstmal schauen, wo Du gerade stehst. Danach schaust Du Dir an, welchen Weg Du bereits gegangen bist, um dorthin zu kommen. Vielleicht hast Du Dich früher 20 Mal am Tag aufgeregt und mittlerweile nur noch fünf Mal. Ist doch ein Fortschritt. Jetzt wäre also der richtige Zeitpunkt, Dir selbst einmal anerkennend auf die Schulter zu klopfen für die Tatsache, dass Du 15 Mal ruhig geblieben bist, anstatt Dir eine reinhauen zu wollen, weil Du es die anderen fünf Male nicht hinbekommen hast.
Welche Tipps kann ich Dir mitgeben?
Mache eine Bestandsaufnahme: Wo stehe ich? Wo möchte ich gerne hin? Wo komme ich her?
Die letzte Frage ist so wichtig, weil wir dazu neigen, in unserem defizitorientierten Denken immer nur danach zu schauen, was wir noch nicht können, noch nicht haben, noch nicht sind. Wenn wir uns fragen, „Was habe ich auf dem Weg schon alles geschafft?“, verändert sich meistens sowohl unser Blickwinkel als auch unsere Bewertung.
Als Nächstes könntest Du Dir überlegen, welchen weiteren Schritt Du gehen darfst, um Dein Ziel zu erreichen.
Und jetzt aufpassen, es wird spannend!
Du suchst nicht nach der Eins mit Sternchen, sondern nach etwas, was zwar herausfordernd ist, aber machbar. Du suchst sozusagen nach dem Schritt, mit dem Du in der Schule eine Drei plus bekommen würdest. Mehr nicht!
Diese Technik ist übrigens angelehnt an die japanische Philosophie „Kaizen“, bei der es darum geht, schrittweise und punktuell zum Optimum zu gelangen.
Es geht nicht darum, dass Du Dich dauerhaft mit einer Drei zufrieden gibst. Allerdings deutet die Tatsache, dass Du Dein Ziel trotz harter Arbeit und ehrlichem Bemühen nicht erreicht hast darauf hin, dass die Schritte zu groß sind.
Wäre es da nicht schlau, die Schritte kleiner zu machen?
Nachdem Du den Drei-Plus-Schritt etabliert hast, ist diese Situation Dein neuer Ausgangspunkt, Dein Status Quo. Nun überlegst Du Dir den nächsten logischen Schritt zur Zielerreichung, wieder nach dem Prinzip „Eine Drei plus ist gut genug.“. Es mag sein, dass das anfangs etwas komisch klingt, aber wenn wir immer nach der Eins streben, ist das verdammt anstrengend und verbraucht ad hoc jede Menge Ressourcen, mental-emotional und körperlich. Entweder sind wir dann irgendwann am Ziel, aber völlig ausgelaugt, oder es geht gar nichts mehr und wir geben auf. Das wiederum führt zu Frustration, Wut, Selbstzweifeln und Selbstverurteilungen.
Und wenn es mal total schiefläuft?
Das passiert und gehört zum Leben dazu.
Vielleicht magst Du Dir in diesem Fall folgende Sätze sagen oder Dir selbst etwas überlegen, was für Dich passt:
„Ok, das ist noch nicht so gut gelaufen. Vielleicht war der Schritt zu groß für den heutigen Tag. Aber ich weiß, dass morgen ein neuer Tag ist, an dem ich es erneut versuchen werde.“
Die Tatsache, dass Du heute Dein Zwischenziel nicht erreicht hast, stellt das übergeordnete Ziel nicht infrage. Es ändert nichts an Deiner grundsätzlichen Ausrichtung.
Es müssen nicht unbedingt die großen Würfe im Leben sein, Du kommst auch mit kleinen Schritten ans Ziel.
Einfach einen Fuß vor den anderen setzen…
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Photo: Iva Rajovic, Unsplash